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Geburtstagsgeschenk 2003

(Alter der Autorin: 13 Jahre)


Cat

Cat schlich sich am Anlegesteg im Hafen an zwei alten Seebären vorbei. Sie hatten sie nicht gesehen. Dahinten war schon die alte Lagerhalle in Sicht. Als sie sie erreichte, schlich sie um die Ecke und dann stieg sie in ein Fenster ein, dessen Scheibe zertrümmert war. Als sie drin war kam eine leise Stimme aus der Ecke: "Kennwort?" "Hamburger Hafen", flüsterte sie. "Ok, kannst weitergehen!" Sie ging an dem Wachposten vorbei, und gelangte in die Halle. In der Mitte der Halle brannte ein Feuer. Um es herum saßen ein paar Gestalten. Cat rief ihnen zu: "Ich hab' unser Abendessen mitgebracht! Alle Mann an die Buletten!" Die Gestalten erhoben sich und Cat ging auf sie zu. Sie holte aus ihren Hosentaschen zwei Packungen Würstchen. "Hi Cat! Alles glatt gelaufen?", fragte sie ein Junge. Das war Rod, Cats engster Verbündeter. "Klar! Wie immer", antwortete Cat. Sie setzte sich zu der Bande, die schon eifrig die Würstchen über dem Feuer briet. Cat, die mit bürgerlichen Namen Mandy Bäcker hieß, lebte schon seit längerer Zeit mit ihrer Bande, den Hafenratten, auf der Straße. Genau gesagt seit drei Jahren. Als sie zwölf war, starb Cats Mutter. Da der Vater nicht bei ihnen wohnte, musste Cat ins Heim. Von dort riss sie aber aus und versuchte ihren Vater zu finden. Das gelang ihr aber nicht. Sie lebte einige Zeit ganz allein auf der Straße, bis sie Rod und seine Bande traf. Sie nahmen sie auf.

Jetzt, drei Jahre später, Cat ist jetzt sechzehn, war sie der Chef der Bande. Die Bande bestand aus ihr, Rod, John, Mouse und Lilly. Sie mussten immer wieder aufpassen, nicht von der Polizei geschnappt zu werden. Ansonsten würden sie ins Heim müssen. Sie lebten jetzt seit einem halben Jahr in der alten Lagerhalle. Noch hatte sie die Polizei nicht aufgestöbert.

"Mouse! Lös' mal bitte John ab. Der Arme muss schon den ganzen Abend Wache schieben!", rief Cat Mouse zu. "Mach ich!" Nach fünf Minuten kam John an und aß sein Würstchen. "Lilly, du löst Mouse um Mitternacht ab. Um drei Uhr nachts bist dann du dran, Rod! Um sechs schieb ich Wache. Alles klar?", befahl Cat. "Alles klar!", riefen die anderen, dann legten sie sich alle in ihre Schlafsäcke und schliefen ein. Cat stand morgens um sechs auf und ging zum Fenster, an dem Rod Wache schob. Es wurde gerade hell. "Na, alles glatt gelaufen?", fragte sie ihn. "Wie immer. Nichts erwähnenswertes", antwortete Rod und gähnte. "Na dann, mach', dass du noch ein bisschen Schlaf bekommst!" Rod ging und Cat lehnte sich an die Wand. Sie steckte sich eine Zigarette an. "Mist. Schon wieder die letzte Kippe", dachte sie. Sie nickte ein bisschen ein, wurde aber bald wieder von Stimmen aus dem Schlaf gerissen. Ein Polizist und eine Politesse standen vor dem Fenster. "Nach Aussagen des Zeugen versteckt sich hier die Bande. Wir brauchen Verstärkung. Wer weiß wie viele das sind!", sagte der Mann. "Ok, hol' du Verstärkung und ich passe derweil hier auf!" Cat hatte genug gehört. Sie rannte in die Halle. "Aufwachen Leute! Die Bullen!" Rod stand sofort auf. Anscheinend war er noch nicht wieder eingeschlafen. "Was? Cat bist du dir sicher?" "Klar bin ich mir sicher! Ich hab das Gespräch von zwei Bullen mit angehört. Sie wissen, dass wir hier sind! Und jetzt wollen sie Verstärkung holen! Aufstehen!!" Der Rest der Bande stand auf und packte rasch das Nötigste zusammen. Dann liefen sie schnell zu ihrem Notausgang, einem Loch am anderen Ende der Halle. Cat lief voraus und auch als erste durch das Loch. Doch sie bremste schnell ab. Sie landete nämlich genau in den Armen eines Polizisten. "Halt, hiergeblieben junge Dame!", rief der Polizist. Die anderen bremsten gerade noch rechtzeitig ab und ihnen gelang es, den Polizisten zu entweichen. "Haut ab!", rief Cat ihnen zu. "Ich komm schon alleine klar!" "Los, hinterher!", rief eine Polizistin. Fünf Polizisten rannten ihnen hinterher. Drei blieben bei Cat. Ihr wurden Handschellen angelegt und dann kam sie in ein Polizeiauto. Sie wurde zur Wache gebracht. Dort kam sie in ein Zimmer, das einem Büro glich. Ein ziemlich spießig aussehender Mann mit Anzug und Krawatte kam herein. Er setzte sich an den Schreibtisch, und tippte etwas in den Computer. Dann sah er Cat tief in die Augen. Sie starrte trotzig zurück. Der Mann fragte: "Name?" "Cat", sagte Cat. "Ist das dein richtiger Name?" "Nein." "Wie ist dein richtiger Name?" "Ich habe ihn vergessen", sagte Cat und schaute ihn herausfordernd an. "Sei nicht albern! Seinen Namen vergisst man nicht", sagte der Mann ruhig und schaute ihr wieder in die Augen. "Ok ok, in echt heiße ich Mandy Bäcker." "Geht doch", er tippte etwas in den Computer. "Alter, Wohnort, Eltern?", fragte der Mann und sah ihr wieder in die Augen. Cat sah ein, dass es nichts nützte, zu lügen. Aber sie wollte wenigstens ihr Alter ändern. "Alter 15, Wohnort auf der Straße, Eltern gibt es nicht." "Was ist mit den Eltern? Tot?", fragte der Beamte. "Mutter tot, Vater keine Ahnung." "Gut, Mandy. Du hast einiges geklaut und bist deswegen schon kriminell. Wenn du sechzehn wärst, bekämst du eine Strafe, aber du hast Glück. Vielleicht kommst du mit ein bisschen nützlicher Arbeit hier und da davon. Wir werden versuchen, etwas über deinen Vater herauszufinden, und wenn er kann, kommst du zu ihm. Aber jetzt erst mal kommst du in ein Heim. Das heißt morgen. Heute schläfst du hier im Präsidium. Komm, ich zeig dir dein Zimmer." Der Beamte stand auf und ging aus dem Raum. Cat folgte ihm. Der Beamte schlurfte voraus. Das war die Gelegenheit! Cat rannte plötzlich nach rechts weg. Sie hatte immer noch die Handschellen an, aber das behinderte sie keineswegs. Sie lief geradewegs auf eine Tür zu und machte sie auf. Und dann lief sie schon wieder einem Polizisten in die Arme. O Nein! Nicht schon wieder der Polizist von vorhin! Er hielt sie fest und sagte: "Wohin des Wegs, junge Dame?" Er brachte sie zurück zu dem Beamten der zu ihr sagte: "Ich kann ja verstehen, dass es dir hier nicht gefällt. Ich bin auch nicht gerne hier. Aber bitte, keine Fluchtversuche mehr, ja?" Cat grummelte etwas in sich hinein und folgte dem Beamten. Der Polizist ging hinterher. Der Beamte schloss eine Tür auf und Cat ging in den Raum. Er war ziemlich duster und glich einer Gefängniszelle. Er war ausgestattet mit einem Bett (oder sollte man eher sagen, einer Pritsche?), einem Tisch, einem Stuhl und hinter einem Vorhang war noch ein Klo und ein Waschbecken. Der Raum hatte einen Fließboden, und die Wände waren aus kaltem Stein. Durch ein kleines Fenster kam ein kleiner Lichtschein herein. Als Cat sich ein wenig umgeschaut hatte, machte der Beamte ihr die Handschellen ab und sagte: "Ich hoffe, du findest es hier nicht zu schauerlich. Wegen deines Fluchtversuchs muss ich die Tür leider abschließen. Ich wünsche dir einen schönen Tag.", damit drehte er sich um und wollte gehen, aber er drehte sich noch einmal um und sagte: "Ach ja, um 1 gibt's Mittagessen und um 7 Abendbrot. Ich hoffe, du hast schon gefrühstückt!", damit ging er und schloss die Tür ab. Cat setzte sich auf das Bett. Sie hatte noch nicht gefrühstückt. Ihr knurrte der Magen. Und außerdem fehlte ihr eine Zigarette. Da entdeckte sie auf dem Tisch Zeitschriften. Sie nahm sich ein paar und legte sich aufs Bett und las. So verbrachte sie den Vormittag.

Um 1 Uhr kam ein Polizist und brachte ihr Mittagessen. Suppe mit Brot und ein Glas Wasser. Aber das war für Cat schon fast ein Festessen. So etwas Gutes bekam sie nicht jeden Tag. Den Nachmittag verbrachte sie mit Schlafen und Nachdenken. Sie würde nicht in ein Heim gehen, darüber war sie sich im Klaren. Und wenn sie sie zwingen sollten, dann würde sie halt wieder fliehen. Aber was war mit ihrem Vater? Wenn die Polizisten ihn wirklich finden würden, würde er sie aufnehmen? Sie war sich nicht sicher. Er hatte ihre Mutter als sie vier war verlassen. Weil er sich in eine andere verliebt hatte. Wahrscheinlich hat er die Tusse geheiratet. Um 7 gab's Abendbrot. Nudeln mit Soße. Auch nicht schlecht. In der Nacht schlief Cat ziemlich unruhig. Sie träumte von Polizisten, die ihren Vater entführten, von ihrer Mutter und ihrer Bande. Am Morgen kam der Beamte vom vorigen Tag wieder. "Gute Nachrichten, Mandy!", sagte er. "Wir haben deinen Vater gefunden. Er kommt dich nachher holen." "Was? So schnell?" "Ja, er ist einmal vorbestraft und war deshalb in den Akten." "Und wenn ich gar nicht zu ihm möchte?", fragte Cat. "Tut mir leid! Du bist noch nicht 16 und kannst noch nicht entscheiden. Bis nachher, Mandy!", er zwinkerte ihr zu und ging. Cat fühlte sich irgendwie verarscht. Um 12 kam der Beamte wieder und sagte: "Dein Vater ist eingetroffen. Komm mit!" Cats Herz klopfte tierisch. Sie hatte ihren Vater schließlich seid ihrem vierten Lebensjahr nicht mehr gesehen. Sie gingen zu dem Büro des Beamten. Er machte die Tür auf. Und da stand er. Cats Vater. Cat schaute ihm in die Augen. Ja, das war der Mann auf den zahlreichen Fotos, die Cats Mutter ihr immer gezeigt hatte. Nur dass die langen Haare ab waren. Er trug einen schicken Anzug. Cat erinnerte sich, dass er früher immer Ledersachen anhatte. "Hallo Mandy! Lange nicht gesehen, was?" Er lächelte. "Ja", antwortete sie. "Komm, wir fahren nach Hause!", sagte er und ging aus dem Zimmer. Sie folgte ihm. Vor dem Präsidium stand ein dickes Auto. "Wow!", dachte Cat. Ihr Vater klickte auf seinen Schlüssel und die Türen öffneten sich. Cat setzte sich auf den Beifahrersitz. "Ich wohne jetzt in Volksdorf. Mit Brigitte. Ich nehme an, du kennst sie nicht mehr. Wahrscheinlich wunderst du dich, dass ich so viel Geld habe. Tja, ich hab einen guten Job gefunden. Ich verkaufe jetzt Autos bei Chrysler." "Warum hast du dich nie um mich gekümmert?", fragte Cat plötzlich scharf. "Du wirst es mir nicht glauben, aber ich habe bis gestern nicht gewusst, dass deine Mutter gestorben ist. Das war für mich ein großer Schock, als ich es erfahren habe. Man, was musst du durchgemacht haben. Hast du wirklich auf der Straße gelebt?" "Ja, was dagegen?", Cat glaubte ihm kein Wort. Ihr Vater steckte sich eine Zigarette an. Cat nahm sich auch eine. "Du rauchst?", fragte er. "Ja, du doch auch, oder?" Die weitere Fahrt lief schweigsam ab. Irgendwann hielt ihr Vater vor einem großen Haus. "Das ist dein neues Zuhause, Mandy! Ich hoffe es gefällt dir!", sagte der Vater und schloss die Tür auf. Ihnen entgegen kam eine Frau. Das musste Brigitte sein. "Hallo! Du musst Mandy sein! Wie schön, dich kennenzulernen." Cat sagte kein Wort. Ihr Vater zeigte ihr ihr Zimmer. Es war riesig! Beim Abendessen unterhielten sie sich über Gott und die Welt. Es war richtig lustig. Sogar Cat lachte manchmal. So schrecklich waren ihr Vater und Brigitte auch nicht. Sie glaubte sogar, dass sie es hier aushalten könnte.

Am nächsten Tag gingen sie zu dritt in die Stadt um Cat neue Kleider zu kaufen. Außerdem bekam Cat noch viele andere Sachen. Sie war richtig glücklich. Als sie gerade in der Innenstadt herumliefen, hörte Cat plötzlich ein "Psst, Cat" Sie drehte sich um, und hinter einem Baum stand Rod. "Komm! Wir haben ein neues Lager." Cat überlegte nicht lange und lief mit Rod mit. Er führte sie in ein altes, verlassenes Haus. Ein idealer Schlupfwinkel! Und da war auch ihre Bande! Sie umarmte alle und dann musste sie erzählen, was sie erlebt hatte. In der Nacht dachte Cat nach. Sie vermisste ihren Vater. Und das große Haus. Es wäre schon schade, ein Leben in Saus und Braus sausen zu lassen. Aber konnte sie ihre Bande allein lassen? Das musste sie wohl. Wenn sie ihr Leben irgendwie in den Griff kriegen wollte, musste sie jetzt in die Schule gehen und lernen. Dann könnte sie vielleicht noch einen Hauptschulabschluss schaffen. Sie hatte sich entschieden. Am nächsten Morgen teilte sie ihren Entschluss der Bande mit. Alle waren traurig. Sie verabschiedete sich von allen. Aber wo war Rod? "Wisst ihr wo Rod ist?", fragte sie. "Er ist gerade gegangen. Wohin weiß ich auch nicht", sagte John. Cat kannte Rod gut genug, um zu wissen, wo er war. Sie lief los. An die Alster. Hier war Rods und Cats Lieblingsplatz. Da saß er! "Rod!", rief sie. Er sagte kein Wort. Sie setzte sich neben ihn. "Was ist denn?", fragte sie. "Ach, geh doch zu deinem Vater!", sagte er und schaute sie zornig an. "Du willst nicht, dass ich gehe oder?" "Ob ich das nicht will? Natürlich will ich das nicht! Wir waren so ein gutes Team. Drei Jahre lang! Und jetzt kommt dein Vater und alles ist vorbei!" Er warf Steine ins Wasser. "Rod, du heulst ja!", fiel Cat auf. Er hatte echt Tränen in den Augen. "Hör zu! Wenn ich gehe, dann bist du der Chef! Und ich komm euch doch auch besuchen. Und verpfeifen werde ich euch auch nicht! Ich habe mich eben entschieden, mein Leben in den Griff zu bekommen und in die Schule zu gehen. Ich weiß! Das ist das, was wir nie wollten. Aber es ist so! Ich habe mich entschieden. Glaubst du, dass ich euch gern verlasse?", sie schaute ihm in die Augen. Jetzt hatte auch sie Tränen in den Augen. So saßen sie eine Zeit lang da. Plötzlich sagte Rod: "Ok, wenn du meinst, dass es das Richtige ist, dann kann ich es wohl nicht verhindern. Aber ich werde dich vermissen, Cat!" Cat lächelte und umarmte ihn. Zusammen gingen sie zurück zu den anderen. "Also macht's gut, ihr Hafenratten!", rief sie ihnen zu und wandte sich ab. "Machs gut, Cat!", rief Mouse. "Ab heute heiße ich Mandy!", sagte sie und ging.

In ihr neues Leben hinein.

 

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